Wir haben das Paradies gefunden

Erbarmungslos klingelte um 3:45 der Wecker. Wir zogen uns an, gönnten uns eine Tasse Kaffee und weckten Justin, damit er in das hintere Bett krabbeln konnte. Im Alkoven wollten wir ihn während der Fahrt nicht liegen lassen. Die anderen beiden ließen wir schlafen. Danach wurde das Fahrzeug fahrtüchtig gemacht.

Wir mussten für etwas 7 Meilen die Route 66 zurück Richtung Westen, um dort dann auf die Indian Route 18 einzubiegen. Diese würde uns direkt bis zum Havasupai Hilltop bringen. Allerdings zogen sich diese 60 Meilen total in die Länge. Das lag nicht unbedingt an der Straße. Nein, diese war sehr gut ausgebaut, asphaltiert und recht breit! Aber wir sahen nichts. Es war stockdunkel! Das wir durch einen Wald fuhren, erahnten wir mehr, als dass wir es sahen. Es waren kaum mehr als 40 mph drin.

Sowohl Holger, der fuhr, als auch ich blickten absolut konzentriert nach vorne in die Dunkelheit. Hier war auf jeden Fall mit Wildtieren auf der Straße zu rechnen. Vor uns hoppelte auch das eine oder andere Häschen über die Straße oder flitzte ein Mäuschen von rechts nach links. Dann plötzlich: tatsächlich wollte gerade ein Deer von rechts nach links die Fahrbahn überqueren. Wir sahen es fast gleichzeitig und Holger stieg sofort auf die Bremse. Erst sah es so aus, als würde das Tier doch wieder auf die rechte Seite abdrehen und Holger lies die Bremse wieder los. In diesem Moment entschied sich das Reh, doch lieber nach links zu wechseln, und Holger musste eine Vollbremsung hinlegen. Erstaunlicherweise erwischten wir das Tier nicht. Aber es können nur Millimeter gewesen sein. Puuh, jetzt waren wir beide wieder richtig wach.

Als dann mal die Sonne aufging und man mehr sehen konnte, lies es sich auch wieder einfacher fahren. Wir fuhren nun auf einer Hochebene. Rechts und links sah es nach Weideland aus. Und erst auf den letzten Meilen führte die Straße langsam in den Canyon herab. Die Felsen rechts und links wuchsen in die Höhe, die Straße wurde enger und es ging nach unten. Von über 6400 ft erreichten wir bei nur noch 5200 ft gegen 6,30am endlich den Parkplatz. Und tatsächlich war hier „End of the road“. Dahinter ging es direkt einmal 500 Meter steil nach unten.Havasupai Hilltop

Es war tatsächlich schwierig für unseren großen RV einen geeigneten Platz zu finden.  Der Parkplatz war voll. Am Rand - zwischen Straße und Felsen - standen einige alte Autos, Container, LKWs, die hier wohl darauf warteten, dass die Besitzer sie brauchten. Zwischen zwei LKW-Containern fanden wir glücklicherweise noch ein Plätzchen gerade groß genug für unser rollendes Wohnzimmer. Wir fuhren so dicht es ging an die Felswand heran und schafften es sogar, dass alle Reifen hinter der Fahrbahnmarkierung waren. Das würde wohl gehen?!

Pferde auf dem Weg zur ArbeitDie Kids waren inzwischen wach. In der Zeit, in der sie sich anzogen, packte ich den Rest in die Rucksäcke und schmierte Bagels für jeden. Einen Kaffee gab es auch noch. Währenddessen beobachteten wir drei Pferde, die mutterseelenallein die Straße entlang trotteten. Keine Ahnung wo sie her kamen. Aber anscheinend wussten sie, dass ihr Arbeitseinsatz bald kommen würde und sammelten sich.

Und um 7am waren wir abmarschbereit: Unser erstes Abenteuer begann!

Wir marschierten los. Gleich hinter dem Parkplatz ging es für ca. eine Meile steil den Berg hinunter. Der Weg war breit, aber voll von losem Geröll, was das Laufen erschwerte. Dafür lag aber der gesamte Abstieg im Schatten.

Beim queren eines breiteren Canyons waren wir dann komplett in der Sonne. Und wir bekamen eine leise Vorahnung, wie dies wohl werden würde, wenn wir später am Tag den Berg in der prallen Sonne rauf mussten. Bereits zu dieser frühen Stunde war es schon richtig heiß.Die Gedanken konnten wir aber bald wieder verdrängen, denn unser Weg führte uns in einen anderen, etwas schmäleren Canyon, der die meiste Zeit über Schatten bot. Wir kamen sehr gut voran. Nach 4 Meilen machten wir eine kurze Pause - ließen uns Studentenfutter und Erdnusskekse sowie unser Wasser schmecken.

Dann ging es weiter. Immer wieder mussten wir an die Seite gehen, wenn die Maultiere und Pferde, die Gepäck und Waren ins Tal brachten, an uns vorbei wollten bzw. uns entgegenkamen. Meist liefen sie allein vorneweg und es folgte eine Havasupai auf einem Pferd. Meist junge Teenager, die alle Kopfhörer in den Ohren hatten. Nur vereinzelt ritt der Havasupai vorneweg und hatte alle Tiere in einer Reihe mit Seilen aneinandergebunden.

Nach Supai führen nur drei Möglichkeiten: Wandern, Reiten oder mit dem Helikopter einfliegen. Letzteres halten wir für Cheating. Wenn man zu so einer abgeschiedenen Gegend will, sollte man dies unserer Meinung nach auch auf den eigenen Füßen und mit eigener Kraft erreichen.

8 Meilen sollten es bis Supai sein. Kurz vor der 8 Meilengrenze verkündete ich, dass wir bald da wären, was natürlich alle sehr freute. Die Wanderung war nicht wirklich schwer und wie gesagt - meist im Schatten. Aber wir hatten alle unsere Rucksäcke auf und waren auch wirklich einen strammen Schritt gegangen, so dass wir uns nun auf unser Ziel freuten.

Allerdings, als wir meinem GPS zur Folge die 8 Meile erreichten fanden wir kein Dorf. Nur ein kleines Holzschild stand da:

Supai - you’re almost there!

Also gut - weiter geht’s.
Nun hörten wir auch regelmäßig den Helikopter, der irgendwo über unsere Köpfe hinweg flog.

Der Weg führte jetzt durch ein kleines Wäldchen, die ganze Zeit an einem Bach entlang - teilweise kanalisiert. Das war wunderschön: Es war angenehm kühl, das Wasser plätscherte, der Boden gab etwas nach. Wirklich ein nettes Plätzchen. Aber der Weg zog sich laut meinem GPS dann noch einmal weitere 2 Meilen hin, bis wir tatsächlich Supai erreichten.

Ich war sehr gespannt, was ich hier vorfinden würde. Hatte ich doch gemischte Gefühle, da ich Fritz Zehrer‘s Bericht über seinen Ausflug nach Supai gelesen hatte und er das Dorf ganz schrecklich fand. Von toten, auf Wegen herumliegenden Pferden wurde da erzählt und herunter gekommene Hütten... Da ich aber unbedingt zu den Wasserfällen wollte, hatte ich mich trotzdem entschieden, diese Tour zu machen.

Supai - Dorfeingang Supai

Und was soll ich sagen: Als wir die ersten Häuser sahen, war ich begeistert. Malerisch lagen die Häuser vor den steil aufragenden roten Klippen. Meist eine Koppel davor, auf der Pferde und Maulesel standen. Klar war es staubig. Der Weg war tiefsandig, die Koppeln mehr erdig als mit Gras bedeckt. Aber kein Abfall lag herum. Alles war sauber.  Die Häuser einfach, aber nicht zerfallen. Es war schön und idyllisch.

Supai Supai

Mit das Erste, was man sieht, wenn man in das Dorf gewandert kommt, ist der Hinweis auf kalte Getränke. Und die hatten wir uns wirklich verdient. Natürlich nahmen wir also diese Einladung an und folgten den Schildern. Sie führten uns auf ein kleines Grundstück. Direkt vorne eine kleine Theke mit Essensausgabe - hier war aber niemand. Wir ließen uns erst einmal mit einem kleinen Seufzer im Schatten eines Baumes an einem Tisch nieder. Um uns herum schöner Rasen. Kurz verschnauften wir.
Ein Schild wies uns den Weg um das Haus herum zum Shop. Holger ging mit den Jungs dorthin. Und Ihr glaubt nicht, mit was sie wiederkamen. Außer kühlen Cokes und Fanta hatten sie doch tatsächlich Starbucks Frappuccinos in der Hand. Unglaublich! Hier unten. Alles muss eingeflogen werden und man bekommt einen Starbucks-Café....

Nachdem wir uns erst einmal etwas ausgeruht und gestärkt hatten, gingen wir weiter. Wir mussten das Office finden. Die Aufenthaltsgebühr für den Aufenthalt in Supai sowie die Camping-Gebühr wird erst hier unten in Supai bezahlt. Allerdings sollte man tunlichst eine Reservierung haben, da sonst gerne mal das doppelte verlangt wird - wie wir von einem jungen Pärchen am nächsten Tag erfahren sollten. Aber natürlich können es die Havasupai auch machen, denn wer möchte nach diesem Abstieg wieder direkt umdrehen und die 8 Meilen wieder nach oben wandern?

Wir fanden das Office, bezahlten die Gebühr und...

... bekamen Armbändchen wie im All-Inklusive-Bunker! Sollte dies nun zeigen, dass wir ordnungsgemäß unsere Fee bezahlt hatten, oder uns eindeutig als Fremde kennzeichnen? Egal! Natürlich zogen wir brav die Bändchen an. Uns wurden die Regeln für den Campground sowie eine kleine Karte, auf der Wasserfälle, Ort und Campground eingezeichnet waren, ausgehändigt. Leider zeigte diese Karte, dass wir noch weitere 2 Meilen bis zum Campground wandern mussten.

Es war nun wirklich, wirklich sehr sehr heiß. Und Marwin hatte sich seelisch darauf eingestellt, dass wir nun da wären, so dass die weiteren Meilen für ihn richtig hart waren. Aber diese letzten zwei Meilen waren für uns alle hart. Obwohl wir uns auch am Office noch einmal mit kaltem Wasser eingedeckt hatten, klebte die Zunge nur nach wenigen Metern schon wieder am Gaumen.

So nach etwa einer halben Stunde erreichten wir dann die ersten Wasserfälle. Teilweise über Kaskaden, teilweise über einen Fall fiel der Havasu Creek hier über die Navajo Falls herunter. Man war das schön!!!
Um uns herum rotbrauner karger Felsen, dazwischen eine grüne Flusslandschaft. Himmlisch! 

Havasu Creek Navajo Falls

Wir sahen die ersten Zelte und meinten uns am Ziel. Leider wurden wir darauf aufmerksam gemacht, dass dies nicht der eigentlich Campground wäre und auch die Havasu Falls noch eine weitere Meile stromabwärts lägen.

Also kämpften wir uns weiter. Nun wollten wir alle nur noch ankommen. Ich redete Marwin Mut zu. Holger nahm ihm seinen Rucksack ab. Wir überquerten noch einmal den Fluss und dann wurde endlich noch einmal das Geräusch eines Wasserfalls hörbar. Lauter und lauter und dann endlich:

Havasu Falls
Havasu Falls

Wow, Wow, Wow!!!! Einfach atemberaubend, was wir hier zu sehen bekamen. Das Wasser stürzte in ein gigantisch tiefblaues Becken herab.

Die letzten Meter bergab und wir waren am Campground. Dem Flusslauf entlang standen kreuz und quer die Zelte. Es gab keine explizit ausgewiesenen Sites hier. Aber es gab einige Tisch/Bank-Kombinationen und viel Schatten.

Der erste Weg führte uns nun aber erst einmal zur Quelle. Ich habe nie in meinem bisherigen Leben so absolut leckeres Wasser getrunken! Es war klar, sauber, kalt und kam direkt -über ein kleines Rohr geführt- aus dem Felsen. Boah, war das lecker. Uns allen hat das Wasser super geschmeckt.

Man sah uns an, dass wir nun gerade erst angekommen waren. Ein sehr netter Amerikaner begrüßte uns und meinte, das Beste wäre, nun erst einmal in den Fluss zu springen. Das hätte auch er gemacht, als er vor 2 Tagen hier ankam.

Und die Idee war super. Wir suchten uns ein Plätzchen für unsere Zelte, bauten diese schnell auf und sahen zu, dass wir ins Wasser kamen. Unbeschreiblich schön!. Klares, leicht bläuliches Wasser umgab uns. Es war natürlich Sch...-kalt. Da es aber außerhalb so heiß war, machte es uns nichts aus und war super erfrischend. Schönheitsbehandlung inklusive: Stand man still im Wasser, kamen gleich kleine Fischchen an, die anfingen, die Hautschüppchen von den Füßen zu knappern. Ei, das kitzelte!

Nachdem wir so endlich wieder auf normale Betriebstemperatur herab gekühlt waren, gab es nun Essen: Trekkingmahlzeiten! Wir brauchten nur Wasser heiß zu machen und gleich hatte jeder sein Lieblingsessen.

Danach machte ich mich noch einmal mit Stativ, Kamera und Holger auf den Weg das kleine Stück zu den Havasu Falls, um noch ein paar Aufnahmen zu machen.

Einfach nur gigantisch diese blaue Farbe, das klare Wasser, die Umgebung....

Wir trafen den netten Amerikaner wieder, der sich natürlich nach unserem Befinden erkundigte. Als ich ihm erzählte, dass wir am nächsten Tag zu den Beaver Falls wollten, riet er mir allerdings dringend davon ab. Er wäre dort gewesen und es wäre noch einmal eine anstrengende und anspruchsvolle Wanderung mit vielen Wasserüberquerungen bis zur Taille....

Als es dunkel wurde, verzogen wir uns in die Zelte, denn das Licht der Stirnlampen zog sofort die Stechmücken an. Das machte keinen Spaß. Mit Marwin spielte ich noch drei Runden Uno, dann legten wir uns zum Schlafen hin.

  • Gefahrene Meilen:  66 mi
  • Zeit unterwegs: 9,5 h
  • Campground:  Havasu Falls CG
  • Besonderheiten: Wir haben das Paradies gefunden!!!